l’essai du voyage

Reisen ohne zu verreisen

Während der Reise befindet man sich zwischen dem Hier und Dort. Dort ankommen kann man eigentlich gar nicht; denn sobald man dort ist, ist man ja wieder hier. Ich setze mir ein Ziel, definiere mein Dort und verlasse mein Zuhause um dann, irgendwann wieder zurückzukommen. Doch was passiert während meiner Reise? Mein Zuhause wird sich kaum verändern. Haus und Gartenzaun stehen noch da, wo sie bei der Abreise schon standen. Die Nachbarn sind noch da, die Umgebung ist noch da und die Jahreszeiten ziehen durchs Land, wie seit Menschengedenken.

Was sich verändert, hat bin ich. Und darum gehe ich auf Reisen. Um einen Bruch zu erleben, den Alltag hinter mir zu lassen. Ich male mir einen Aufenthalt aus und breche auf. Ich bin auf der Suche nach einer Bestätigung meiner Erwartungen. Ich möchte wissen, ob es wirklich so ist, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Vorgefundene muss aber nicht immer meinen Erwartungen entsprechen. Es kommt vor, dass es nicht so ist, wie ich gedacht hatte, und ich meine Erwartungen revidieren muss. Ein Austausch mit der Fremde führt zu einer Verformung meiner selbst. Ich könnte mir gar vorstellen, dass sich die Art und Weise verändert, wie ich Erwartungen kreiere.

So gesehen reist der Nomade eigentlich am wenigsten. Ich war schon immer fasziniert vom Nomaden, wie ungebunden an seine Umgebung er ist. Für ihn würde das Reisen bedeuten, sesshaft zu werden; das wäre in seinem Sinne ein Bruch und ein Entfliehen aus dem Alltag. Der Nomade hält am Zustand des Unterwegs- seins fest und bewegt sich nie nicht, immer auf der Suche nach fruchtbarer Erde. Ist die- se verbraucht, zieht er weiter, gebunden an die fruchtbare Erde.

Der Wechsel vom Alltag zum Reisen verändert die Denkweisen; er führt nicht nur dazu, sich zu erholen und neue Eindrücke zu sammeln, sondern auch, sich in Bewegung zu halten. Der Zustand des Stillstands wird nach unserer Auffassung dem Lebens nicht gerecht. Eine stete Veränderung der Umstände gehört zum Verlauf der Zeit. So komme ich zum Schluss, dass man um zu reisen nicht gezwungen ist, seinen Platz zu verlassen. In Anbetracht der Flexibilität unserer Denkweisen, können wir auch an Ort und Stelle reisen. Zum Beispiel beim Lesen dieses Magazins. Gute Reise!

Il y a une phrase, là, de Proust très belle qui dit : « Finalement qu’est-ce qu’on fait quand on voyage ? On vérifie toujours quelque chose. » On vérifie que telle couleur qu’on a rêvée se trouve bien là. À quoi il ajoute, c’est très important, il dit : « Un mauvais rêveur c’est quelqu’un qui ne va pas voir si la couleur qu’il a rêvée est bien là. » Mais un bon rêveur il sait qu’il faut aller vérifier, voir si la cou- leur est bien là. Ça, je me dis, ça c’est une bonne conception du voyage. Mais sinon...
— Gilles Deleuze
Ruedi Flück