From Switzerland With Love
von Ruedi Flück
Laurent De Martin und Titouan Bessire haben sich für diesen Herbst eine prall gefüllte Premieren Tournee gegönnt. Ihr neuer Skifilm mit rund 30 Minuten Spiellänge zielt nicht nur auf Freeski-Szenis, sondern auf alle Wintersport- interessierte. Diese Neuausrichtung und deren Erfolg kommen nicht von ungefähr.
Laurent kann sich mittlerweile das ganze Jahr hindurch professioneller Wintersportler nennen, bis vor kurzem hat er den Sommer über jeweils auf Baustellen Stunden abgerackert hat. Heute ist sein Arbeitsaufwand im Sommer mit der Planung und Training ungefähr gleich gross wie auf den Baustellen, aber die Verantwortung höher und die Bezahlung tiefer. In seinem Heimatort wird er dafür bald als Pendant zu Didier Défago, welcher aus dem Nachbardorf stammt, gehandelt. Genau an diesem unermüdlichen Einsatz schliesst sein Erfolg an. Laurent schafft es, allen Skifans seine Faszination spannend zu erzählen. Aus immer neuen Perspektiven.
Level 1, die amerikanische Filmkompanie, mit welcher Laurent De Martin bis anhin starke Filmsegmente realisiert hatte, hat ihr Kerngeschäft, das Produzieren von reinen Action-Ski-Filmen, aufgegeben. So musste Laurent etwas Neues fin- den, womit er sich verwirklichen konnte. Er tat sich mit Titouan zusammen, der unter anderem bereits Filmserien mit dem Snowboarder Fred Couderc für RTS realisiert hatte. Titouan war gerade frisch Vater geworden und so entschieden sich die beiden Produzenten für den Kompromiss, nicht gross durch die Welt zu reisen, sondern alles möglichst lokal zu filmen und dafür andere Freeskier aus Amerika ins Wallis einzuladen.
Street, Backcountry, Park und Freeride standen auf dem Programm. Die ganze Palette an Skifahren wollte Laurent in und um das Skigebiet Region Dents du Midi zeigen. Da gab es aber fortlaufend Probleme: Beim Streetskiing wäre ein Ausflug nach La Chaux-des-Fonds geplant gewesen, doch es fehlte der Schnee. Im Vallée d’Illiez, an dessen Ende Champéry liegt, fehlte es an Spots und so musste spontan umgeplant werden auf den Grand Saint-Bernard Pass und das Oberwallis.
Street
Neben unseren Autos kocht Numa seine Ravioli in der Büchse auf einem Gaskocher. Was als Witz begann, wurde zum Running Gag: Kochtopf und Gaskocher mitnehmen auf alle Streetspots und später auch im Backcountry. Es lassen sich in wenigen Minuten warme Nudelfertigsuppen kochen, Teigwaren vom Vortag wärmen oder heissen Kaffee machen. Bei den kalten Temperaturen, den endlosen Schaufel-Missionen und den oft schattigen Plätzen waren diese warmen Snacks Gold wert und passten ohne Problem in einen Rucksack.
Numa Schneiders, der Jugendfreund von Laurent, war die gute Seele hinter dem ganzen Projekt. Immer mit einem Lächeln im Gesicht war er stets bereit, grössere Mengen an Material zu schleppen, Tonnen von Schnee zu verschieben und dann zwischendurch noch kurz Vergessenes zu besorgen. Der Teamgeist und die soziale Verantwortung, welche Laurent an den Tag legte, war ebenfalls etwas, was bei dem Projekt allen Beteiligten ein positives Zugehörigkeitsgefühl vermittelte.
Backcountry
Unglaublich mühsam kann es sein, wenn man kein Morgenmensch ist und ein übermotivierter Laurent einen aus den Federn spediert. Nachdem Will Bermann aus den USA beim Street Part dabei war, kam Lucas Wachs für den Backcountry Part dazu. Das junge Talent aus Oregon fotografierte fortlaufend Lastwagen auf den Strassen. Die Kirche im Dorf. Die Strassenschilder. Die Produkte in den Läden. Die Käsetheke. Sein erster Trip nach Europa war wohl einer, den er nicht so schnell vergessen wird.
«Fahr Junge, fahr!», schrie Fred, während er Mathieu dabei filmte, wie er eine gewaltige Lawine auslöste. Wir waren dabei, einige schöne Tiefschnee-Aufnahmen zu filmen und zu fotografieren, als sich beim Vollführen der einen Kurve der ganze Hang löste. Man kann nicht sagen, dass es unmöglich war, eine Lawine auszulösen und doch befanden wir, dass es sicher genug ist. Auch in Anbetracht des einfachen Auslaufes. Und trotzdem war der Schock gross und ist es bis heute. Vorfälle wie diese sollten nicht passieren und doch sucht man immer wieder nach neuen unberührten Hängen und die Risikoanalyse kann, auch wenn sie noch so konsequent ist, nie eine hundertprozentige Sicherheit garantieren.
Park – Covid-19
Es wurde langsam wärmer gegen Mitte März und wir bewegten uns in Richtung Frühling. Wir hatten Pläne auf und knapp neben den Pisten schnelle Runs zu filmen, kleine Obstacles zu bauen und vor allem den Spass im Skigebiet zu zelebrieren. Da kam das Virus angerollt. Fast schon stündlich schaute ich mir die neusten Updates an, als wir im bereits geschlossenen Skigebiet Les Crosets unsere Kicker neben der Sesselbahn bauten. Und am 16. März 2020 um 16.30 Uhr war die Pressekonferenz, in welcher der Bundesrat bekannt gaben, dass es ab sofort verboten war, in den Bergen Sport auszuüben und jeglicher Art von Freizeitaktivität nachzugehen. Der Lockdown war ausgerufen und wir waren enttäuscht, so plötzlich und für so lange Zeit einfach nichts im Stile von Skifahren mehr machen zu dürfen.
Freeride – abgesagt
Den ganzen April über war nur Sonnenschein. Eine krasse Trockenzeit war angebrochen und kein bisschen vom erhofften Frühlingsschnee, bis wir am 6. Mai wieder aus unserer sozialen Isolation ausbrechen durften. An Freeriden war nicht zu denken. So freuten wir uns über die letzten Reste Schnee im Skigebiet – in den blühenden Wiesen liegen, das Bier in die letzten nassen Schneeflecken stecken und oben ohne Schanzen schaufeln. So konnten wir die Drehtage für «From Switzerland With Love» doch noch mit Freude beenden.