Off-Piste Wirtschaft

 

Ueli Grand

 

Die Aufregung war uns allen anzuspüren, als wir lange nach dem Eindunkeln im Januar ein Raupenfahrzeug mit Passagierkabine besteigen, welches uns ins Restaurant Startgels in Flims brachte. Nach rund 30 minütiger Fahrt betraten wir den Gästeraum, wurden direkt umsorgt und verwöhnt und bestaunten die grosse Feuer- stelle in mitten des Restaurants. Hier werden das Fleisch und die Polenta am offenen Feuer direkt vor den Augen der Gäste zubereitet.

von Ruedi Flück

«Es ist nicht ganz einfach ein so abgelegenes Bergrestaurant zu betreiben», erzählt Ueli Grand, der im Winter 1988/89 zusammen mit Reto Gurtner das Startgels eröffnete. Langjährige Erfahrung in Zürich und der Betrieb des Chesa in Flims hatten aus ihm einen bekannten Wirt gemacht.

Ein Walliser in den Bündner Bergen. Seinen Ein- tritt in den Beruf des Kellners erlernte Ueli auf der Fafleralp im Lötschental. «Während der Saison wurde durchgearbeitet und in der Zwischen- saison sind wir Blockweise in die Schule. Und stell dir vor, in ganz Flims mit rund 3000 Einwohnern lernt nicht ein einziger Kellner oder Koch. Und das, trotz der Abhängigkeit, die wir hier vom Tourismus haben.»

Einiges hat sich verändert, seit Ueli Grand seine Sporen abverdiente. Auch auf den Skipisten gibt es heute vermehrt Restaurants, die Alternativen zu Schnitzel, Pommes und Gerstensuppe fixfertig anbieten.

Es muss eine Atmosphäre geschaffen werden. Die Persönlichkeit und die Gastfreundlichkeit von Ueli tragen dem natürlich bei. Auch sein Team ist wohl ausgewählt und sehr engagiert. «Die einen arbeiten schon 8, 15 oder 18 Jahre bei uns. Ich bin ein strenger Chef, aber mir ist Einsatz und Engagement extrem wichtig. Es nützen einem die besten Diplome nichts, wenn man nicht weiss, wie man anpacken muss.»

 

Fleisch vom Grill serviert von Ueli Grand im Startgels in Flims.

«Ich hatte das Glück immer mit tollen Leuten arbeiten zu dürfen. Meine Vorgesetzten waren immer sehr tüchtige und korrekte Menschen. Speziell in Zürich. Da war ein Direktor mit Walliser Wurzeln, welcher mich auch gefördert hatte und mir zeigte, was einem die Angestellten wert sein müssen. Nach meiner Zeit in Zürich hatte ich das Chesa in Flims erworben. Dort haben wir viele Jahre sehr viel gearbeitet, um ein solides Fundament aufzubauen. Durch den Entscheid das Chesa zu verkaufen und ein Bergrestaurant zu eröffnen, wollten ich damals eigentlich etwas kürzertreten, doch soviel wie seither hatte ich davor nicht gearbeitet.»

Man hat heute das Gefühl, dass Ueli die gleichen Sitten zu pflegen und weiter zu geben scheint, wie seine ehemaligen Vorgesetzten. Der Patron ist allgegenwärtig, und viele kommen jedes Jahr zur Saisonarbeit aus dem Ausland und sind dankbar für die Möglichkeiten, die sie hier haben.

«Weisst du, mit denen, die man nicht brauchen kann, mit denen muss man nicht nett sein. Es gibt zwei Kategorien von Arbeitern: Die einen kommen und bleiben und die bilden deinen Stamm und dann die anderen, die kommen und gehen, die wollen möglichst ohne Aufwand viel Geld verdienen. Aber wenn man einen guten Stamm hat, dann passiert das selten.»

Zur Vorspeise gab es Nüsslisalat oder Suppe und dann Fleisch in verschiedenen Variationen vom Grill mit einem Gratin oder Polenta be- gleitet und von einem hausgemachten Dessert abgeschlossen natürlich. Das ganze für rund 100 CHF pro Person. Es ist nicht günstig, das sieht auch Ueli ein. Aber die Leute hätten sich daran gewöhnt und schätzen die Qualität. Er bemerke, dass heute auch vermehrt die jüngere Generation bei ihm einkehre und das freue ihn.

Weisst du, mit denen, die man nicht brauchen kann, mit denen muss man nicht nett sein.
— Ueli Grand

Familien sind regelmässig zu Gast, auch wenn er noch nie ein Kindermenü angeboten hatte. «Das kann ich nicht verstehen, die Fischstäbli und Chicken Nuggets mit Pommes für die Kleinen. Bei mir gibt es für alle das Gleiche – es ist sicher was dabei, was Kinder gerne mögen. Zum Beispiel die Polenta mit Tomatensauce. Natürlich werden die Portionen angepasst, aber extra Kindermenüs hat’s bei mir nie gegeben und wird es auch nie geben.»

Die Realität eines Restaurants im Winter weit weg von der Stadt, wie der des Startgels, ist eine komplett andere. Man kann nicht spontan noch Zutaten besorgen, muss vorausplanen und auch die Angestellten müssen abends mit Stirnlampe und Skiern oder Schlitten wieder runter ins Tal. Das ist nicht allen gegeben. Ueli habe aber auch Saisonangestellte aus Portugal, denen das nichts ausmacht. Auch die Abhängig- keit von Wetter und Bergbahnen macht vieles schwieriger als in der Stadt. Entscheiden tue so oder so der «liebe Herrgott», meint Ueli. Trotz alldem scheint ihm seine Berufung zu gefallen und er scheute nicht davor sein ganzes Leben seiner Tätigkeit als Wirt zu widmen.

Zum Glück mussten wir bei unserem Besuch nicht selbst ans Steuer des Raupengefährts. Wir konnten darauf vertrauen wieder heil ins Tal gebracht zu werden, denn es wurde während des Abends nach einigen Weinen schon eher fröhlich. Für die Freunde aus dem Ausland war es ebenfalls ein ausgezeichnetes Erlebnis und auch ich muss sagen, gerne gönnt man sich mal etwas Spezielles, wie ein Abendessen in einem Restaurant mit authentischer Küche, wo man auf sehr hohem Niveau verköstigt wird. Noch bezaubernder, wenn man dies weit oben am Berg unter einem klaren Sternenhimmel tun kann. Auf ein andermal.

Ruedi Flück